AT Wahl Österreich

FLORIAN SEIERL - 16 Oct, 2017

nach der gestrigen Nationalrats- (entspricht Bundestagswahl) in Österreich, bei welche der Herr Kurz ja gewonnen hat musste ich an dich denken. Hast du den Wahlkampf etwas verfolgt?

Die seit 2013 gemeinsam reagierenden SPÖ (vgl. SPD) und ÖVP (vgl. CSU/CDU) blockierten sich permanent gegenseitig und begannen schon vor der Koalitionsauflösung im Mai 2017 mit dem Wahlkampf.

Nachdem der Parteichef der ÖVP merkte, dass er in der Partei keinen Rückhalt mehr hatte und alle nur auf eine Auswechslung der Parteispitze an einem strategisch guten Zeitpunkt (möglichst vor Beginn des Wahlkampfs zur Wahl 2018) hinarbeiteten, zerstörte er ihre Pläne und trat vorzeitig selbst zurück. Nun musste Sebastian Kurz vorzeitig ran. Nachdem sich dieser vom Parteivorstand alle Rechte zusichern lies, benannte er die Partei „Die neue ÖVP“ / “Liste Kurz“, wechselte die Parteifarbe zu türkis und setzte eine Reihe an jungen, neuen Politikern an die vorderen Listenplätze. Kurz darauf kündigte er die Koalition auf und rief Neuwahlen aus. Die inhaltlichen Themen der ÖVP wurden stark von der rechtspopulistischen FPÖ abgeschrieben, von welcher Kurz zum Ende des Wahlkampfs dann als „Kopiermaschine“ oder „Spätzünder“ verunglimpft wurde, da er erst „so spät“ bemerkt habe, dass mit Politik welche gegen Ausländer/Migranten/Asylwerber/Moslems gerichtet ist Stimmen gewonnen werden können und ihnen dies nachmache.

Dass es ein Dreikampf zwischen SPÖ (Bundeskanzler Kern), FPÖ (HC Strache) und ÖVP (Kurz) werden würde war von Beginn an klar.

Im Wahlkampf trat Sebastian Kurz sehr gut auf, lies sich nur selten zu wirklichen Streitereien hinreissen und wusste es, bei jeder Frage auf die Migrationsproblematik hinzuweisen. Zusätzlich war sein Wahlprogramm darauf ausgerichtet den Unternehmen Steuern zu kürzen und damit neue Unternehmen anzulocken. (Großspender aus der Wirtschaft unterstützten ihn schließlich) Steuern der Klein und Mittelverdiener sollten auch verringert werden, Berechnungen zahlreicher Wirtschaftsexperten widersprachen dem jedoch.

Der rechtspopulistische HC Strache gab sich gemäßigt und zurückhaltend, seine Themen überschnitten sich sehr stark mit jenen der ÖVP. Beide legten Wert auf Wirtschaftsliberalisierung, was die beiden jedoch unterschied war, dass sich die FPÖ seit einigen Jahren als Partei des „kleinen Mannes“ präsentiert und daher viele Stimmen aus den Reihen der Arbeiter bekommt.

Der Wahlkampf der SPÖ mit dem derzeit (noch) amtierenden Christian Kern (er übernahm die Partei und den Bundeskanzler im Mai 2016 nach Rücktritt seines Vorgängers) war leider alles andere als fehlerlos. Er erfuhr sehr viel Gegenwind von den Boulevardmedien, welche ganz offensichtlich auf Seiten von FPÖ und Kurz waren. Zusätzlich wurden ihm mehrfach Dinge unterstellt. Schlussendlich wurde einer seiner Berater jedoch aufgrund des Verdachtes der Geldwäsche im Ausland festgenommen, der wurde daraufhin gefeuert.

Zwei Wochen vor der Wahl dann jedoch zeigte sich erst das volle Ausmaß des Schadens, den die SPÖ von diesem Berater nahm. Er hatte laut SPÖ ohne deren Wissen zwei Facebook-Seiten eingerichtet, welche Kurz verunglimpften und sogar nach der Entlassung des Beraters weiterarbeiteten, dann sogar antisemitische Postings veröffentlichten.

Dies schadete der SPÖ nun ungemein. Mit der Warnung vor einer Zusammenarbeit von ÖVP und FPÖ (arbeiteten zuletzt 2008 zusammen und hatten viele Korruptionsfälle sowie Abbau des Sozialsystems zur Folge) konnte Kern allerdings noch Stimmen generieren und ein Debakel verhindern. Er landete mit vorläufig 26,9% auf Platz 2, die FPÖ errang 26% und Kurz mit 31,5% auf Platz 1.

Nun wird es spannend mit wem die ÖVP koalieren wird. Aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung sehen viele ÖVP-FPÖ als fix an. Doch die SPÖ hat heute beschlossen, sich auch der FPÖ nicht zu verschließen. Sogar ein Ausschluss Kurz’ aus der Regierung wäre daher theoretisch möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich.